Nutzen des sorgfältigen Anrüstens vor dem Melken

Obwohl die Bauern zu Zeiten, als die Kuh zum Melken im Stall stand, wohl die biologischen Gründe für eine Vorbereitung der Kuh vor dem Melken nicht kannten, wussten sie doch, dass unzureichende Stimulation des Handmelken schwerer macht und zu weniger Milchleistung führt. Die Erfindung der Melkmaschine überdeckte die Nachteile daraus, dass der Vormelkablauf nicht vollständig befolgt wird. Seit auf Milchhöfen weniger Mitarbeiter sind und die Anzahl Kühe pro in der Milchviehherde arbeitender Person größer geworden ist, hat man beim Melken gern mal eine Abkürzung genommen und Elemente, die zu einem sachdienlichen Melkablauf gehören, aus ihm entfernt – wo sie sich nicht automatisieren ließen.

Unter ihnen ganz vorn stehen die, die mit dem Ablauf vor dem Melken zu tun haben. Gerade bei größeren Swing-over-Melkständen gab es einen Trend zu dem Ansatz: Kühe rein, Melkzeuge dran, Kühe raus, und zwar mit sehr wenig oder gar keinem Anrüsten der Euter. Oft basierte das darauf, dass man die Zitzen der Kühe als sauber ansah und sich Auswertungen zur Milchhygiene nicht in einem ggf. niedrigeren Preis auswirkten. Gab es hohe Zellzahlen oder Probleme mit klinischen Euterentzündungen, wurde sehr oft der Melktechnik oder der Stalleinrichtung die Schuld gegeben.

Allerdings zeigten in diesen Fällen die Beurteilung „nass“ während des Melkens und die Beobachtung des Milchflusses, dass ein nicht sachdienlicher Melkablauf zu Problemen führte und zugleich in vielen Fällen nicht sonderlich viel Melkzeit einsparte.

Im Melkablauf auf das Anrüsten zu verzichten, egal ob das ganze Jahr über oder  während des Weidegangs der Kühe, zeigt die Unkenntnis vom bedeutenden Nutzen, der durch es erzielt wird.

Erkennung von veränderter Milch oder Mastitis

Abnorm veränderte Milch früh zu erkennen, ermöglicht, sie aus dem Milchtank herauszuhalten, so dass die Zell- und die Keimzahl niedrig bleiben. Die frühe Erkennung von veränderter Milch ermöglicht ebenso eine frühzeitige Reaktion und Behandlung, woraus sich eine niedrigere Rückfallrate und so insgesamt eine niedrigere Neuinfektionsrate ergeben dürften.

Stimulation des Einschießens der Milch

Die Berührung der Zitzen der Kuh während des Anrüstens vor dem Melken führt zum Einschießen der Milch.

Eine Studie zur Vorbereitung der Zitzen vor dem Melken zeigte:

  • Weniger als 10 Sekunden lange Zitzenreinigung ist kein ausreichender Stimulus für das durchgängige, natürliche Einschießen der Milch.
  • Die Durchführung der Zitzenvorbehandlung so, dass ein guter Stimulus von 10 – 20 Sekunden entsteht, ist ausreichend für die angemessene Reinigung der Zitzen und eine durchgängige Reaktion des Milcheinschießens.
  • Das optimale „Zeitfenster“ zum Ansetzen der Zitzenbecher liegt bei 60 – 90 Sekunden nach der ersten Berührung von Euter und Zitzen der Kuh durch den Melker (manchmal Anrüstzeit genannt).
  • Eine Anrüstzeit bis zum Ansetzen von 60 Sekunden verringert die mittlere Melkdauer pro Kuh um 40 Sekunden und erhöht die Milchleistung pro Melken um 0,32 kg.

Während man das Gefühl haben mag, dass das Melken schneller geht, wenn man die den Anrüstablauf vor dem Melken weglässt, verliert man so die Gelegenheit, abnorm veränderte Milch zu erkennen, und negative Auswirkungen auf die Dauer, die eine Kuh gemolken wird, und die Menge Milch, die sie gibt, sind wahrscheinlich. Um den Nutzen zu optimieren, ist es wichtig, dass alle Melker denselben Ablauf einhalten.

Beim Melken von Kühen geht es nicht allein um den Durchsatz, sondern um die Erzeugung von Milch höchster Qualität, die der Nachfrage am Markt gerecht wird. Fast immer lohnt es sich, auch auf Details aufmerksam zu achten.